I photographed places where people had sex.
- University of Applied Sciences and Arts Hanover
Prof. Dr. Karen Fromm
Das Unsichtbare sichtbar machen. Architektur, Atmosphäre, Fotografie
Publikation: Atmosphäre_ mit Spürsinn entwerfen, blumhardt Verlag Hannover 2017
[…] »Indem Charlotte Schmitz die Orte nach den eigentlichen Ereignissen fotografiert, vermitteln ihre Bilder eine merkwürdige Differenz zwischen der Ebene der still und unspektakulär wirkenden Fotografien, die nicht sichtbar werden lassen, ob überhaupt und wenn, welche erotischen Handlungen an diesen Orten stattgefunden hätten, und dem erotisch konnotierten Vorstellungsbild, das über die textliche Einbindung der Fotografien evoziert wird. In den Polaroidfotografien von Charlotte Schmitz geht es vor allem um die Anwesenheit eines eigentlich Abwesenden. Nicht nur im Sinne der fotografischen Medialität, die immer die Anwesenheit eines Dagewesen und mittlerweile Abwesenden erzeugt, sondern in diesem Fall in doppelter Form, in dem die Fotografie eines Ortes eine Tat, ein Ereignis aufruft, das im Bild selbst abwesend ist. Diese Form der Bilderzählung ist im Prinzip konstitutiv für jede Form von Tatortfotografie, die immer auf etwas Abwesendes, ein Ereignis außerhalb der visuellen Grenzen des Bildes verweist. Die groteske Diskrepanz zwischen fotografiertem Ort und seiner kontextuellen Einbettung rückt die Frage der Polysemie und der Interpretierbarkeit von Fotografien in den Vordergrund. Die Atmosphäre der Orte, in diesem Fall der Hochschule, vermittelt sich vor allem zwischen kontextuellem und visuellem Register. Die Textebene, die den Kontext der erotischen Handlungen assoziiert, fungiert dabei im Sinne einer Zuspitzung der Lesbarkeit, die die Polysemie der Bildebene semantisch reduziert. Charlotte Schmitzʼ Bilder machen deutlich, dass die Fotografie nicht Dokumentation einer vorgefundenen Atmosphäre ist, sondern dass sich Atmosphäre als Effekt des Zusammenwirkens der künstlerisch ästhetischen Bildproduktion und flankierenden Texten im Prozess der Rezeption herstellt. Atmosphäre ist damit nichts Vorgängiges, keine »›unschuldige‹, natürliche Gegebenheit«, sie ist auch keine Eigenschaft des Bildes selbst, sondern »durch die Episteme des Sehens geprägt«* und damit Ergebnis einer medialen Konstruktion.« […]